Schließlich
landet er in einer großen Halle, dessen hohe Decke in mehrere Kuppeln unterteilt
worden ist. Wenn er den Blick hebt wird er sehen, dass jede Kuppel eine eigene
Geschichte schreibt, denn sie sind voll von vergangen, alten Bildern...
verblasst und doch so lebendig, so dass er das Gefühl hat, in diese alten
Bildnisse hinein zu tauchen; die Schlachtrufe zu hören, das Waffengeklirr, die
Todesschreie...
Unglaubliche Bestien und völlig widernatürliche, drachenartige Wesen kann er
erkennen, sowie ein Meer aus polierten, glänzenden Rüstungen, die auf diese
Bestien einzustürmen scheinen. Eine Kuppel weiter ist ein Mann zu sehen, kniend,
blutend, und das Heft eines Schwertes aus der Brust ragend. Eine Hand ist gen
Himmel gerichtet, ebenso wie der flehend wirkende und doch von Zorn erfüllte
Blick. Eine Kuppel weiter ein undeutlicher Umriss eines Vogels, der einen
stilisierten Falken darstellt, der seine mächtigen Schwingen über eine Festung
zu halten scheint, die gerade von schwarzen Wellen überrannt werden zu scheint.
Eine Festung, die er sehr gut kennt und dessen Umrisse er auch schon mehr als
einmal gesehen hat. Die Kuppeln werden getragen von mächtigen, dicken Säulen, in
dessen Stein unzählige Namen in Amharm geritzt worden sind. Manche sind
besonders hervorgehoben, manche wiederum scheinen fast verblasst.
In der Halle stehen an die zehn Rüstungen. Alt, aber nicht verstaubt, stehen sie
dort, als würden sie jeden Augenblick beginnen, sich von ihren Plätzen zu lösen
und auf ihn zuzugehen. Jede von ihnen ist einzigartig, besitzt eigene Beulen,
Scharten, Male der Vergangenheit, und jede von ihnen hält in der eisernen Faust
eine Waffe. Meistens sind es Schwerter, wie Alaricus sie noch nie gesehen hat.
Mit Runen überzogen, riesig und auf seltsame Art völlig rein wirkend. Manche
leere Panzerhandschuhe ruhen wiederum auf mächtigen Streitäxten, Morgensternen
oder Kampfstäben.
Er kann noch eine riesige, zweiflüglige Tür sehen, direkt gegenüber des Ganges.
Diese ist allerdings verschlossen, auch wenn sie verlockend aussieht, so spürt
er, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist, sie zu durchschreiten.
"Wähle, Alaricus... wähle...." wispert die Stimme in dem sanft aufkommenden
Wind, der ihn wieder umschmeichelt und sein Haar fliegend lässt.
Alaricus
ist ganz aus dem Gang herausgetreten, nachdem er gesehen hat, dass ihn hier
nichts und niemand überraschen wird... und setzt ein paar Schritte in die Halle
hinein, lässt erst einen taxierenden Rundumblick über die Wände, Rüstungen und
das Tor gleiten, ehe seine Augen an ihnen hinaufwandern und sich der Betrachtung
der Kuppeln zuwenden... er legt den Kopf in den Nacken, wobei sich seine Lippen
staunend leicht öffnen, während er sich im Kreis dreht und all die Dinge
betrachtet, die es dort oben zu sehen gibt. Er versinkt lange Zeit in ihrer
Betrachtung, und ein leichtes, aufgeregtes Kribbeln läuft ihm über den Rücken,
als er meint, er würde diese Bilder nicht nur sehen, sondern erfühlen können,
als wäre er mittendrin, als habe er selbst erlebt, was dort oben abgebildet ist.
Voller Ehrfurcht betrachtet er sich die Schlachtszenerie, diese gewaltigen
Bestien, gegen die das einstürmende Heer winzig wirkt und versucht sich
vorzustellen, wie es gewesen sein musste... einer unter ihnen zu sein, inmitten
dieser Masse, im Kampf gegen diese drachenartigen Ungeheuer. Seine Brauen ziehen
sich etwas zusammen, als er das Bildnis des Mannes entdeckt, der da wie in einer
letzten Bitte oder vielmehr Forderung nach Hilfe und Beistand die Hand dem
Himmel entgegenreckt... vielleicht ein Krieger, der einst rechtens war und durch
Verblendung fallen musste? Vermutlich jedoch etwas ganz anderes... Am längsten
verweilt er schließlich unter der Kuppel, welche die Festung zeigt... wohl jene,
die ihm zur Heimat geworden ist. Er verspürt ein leichtes Ziehen in seinem
Inneren bei dem Anblick der gegen die Gemäuer anstürmenden Massen und fragt sich
zugleich, was in der Vergangenheit bereits alles geschehen sein muss... welche
Geschichte ihm die stummen Kuppeln erzählen wollen, und es drängt ihn danach,
mehr darüber zu erfahren, diese Vergangenheit zu enthüllen. Er hebt leicht eine
Hand, als wollte er sie nach der unerreichbaren Kuppel ausstrecken, lässt sie
dann jedoch wieder sinken... Nach langer Weile senkt er den Blick wieder und
tritt an eine der Säulen heran, um sich die Namen zu betrachten, die Hand darauf
zu legen, als könnte er so erspüren, was hinter ihnen steckt. Er geht um zwei,
drei dieser Säulen herum, dabei die Hand darüber streichen lassend, ehe er das
Augenmerk zu diesen Rüstungen hin wendet und ihre Reihen abgeht... sich deren
Beulen und Scharten betrachtet und sich ausmalt, was sie verursacht haben
könnte, welche Geschichte dahinter steht. Doch noch viel mehr interessieren ihn
die gewaltigen Waffen, vor allem die sonderbaren Schwertklingen, die er
respektvoll betrachtet, ohne auf den Gedanken zu kommen, auch nur eine einzige
davon zu berühren. Beinahe etwas unruhig huscht sein Blick etwas umher, als die
Stimme abermals zu ihm spricht, und das erste Mal richtet er das Wort an diesen
seltsamen Wind. "Wählen...?", etwas zögernd, denn was sollte er hier wählen...
doch nicht etwa solch eine Rüstung oder Waffe? Wozu auch, diese mächtigen Waffen
hätten vielleicht in die Hand seines Vaters oder des Fürsten gepasst, aber doch
weniger in seine, wie er fand...
"Wähle, Kind
des Falken... wähle..." ertönt wieder die wispernde Stimme, und eine Windböe
schubst ihn sanft in Richtung der Rüstungen. Seine Hand hebt sich wie von
selbst, als würde sie gesteuert... und irgend etwas sagt ihm, dass es nun an ihm
ist, an welche der zehn Rüstungen er nun seine Hand legt.
Alaricus
zuckt kurz mit einem Mundwinkel, während sich seine Hand ohne sein Zutun hebt...
eigenwilliges Ding, aber hier unten scheint sich nichts so zu verhalten, wie es
sich verhalten sollte.... die Wahl, denn er hat wohl keine andere Wahl als zu
wählen, fällt ihm nicht allzu leicht, aber auch nicht allzu schwer.... denn jede
Rüstung, die mit einer anderen Waffe als einer schwertartigen Klinge versehen
ist, fällt bereits einmal weg. Und von den übrigen... ist er am ehesten dazu
geneigt, jene zu wählen, die ihn in ihrer Besonderheit am ehesten anspricht, was
wohl eine rein subjektive Wahl ist und die Beurteilung nach Tauglichkeit in
seinen Maßstäben leicht zurückdrängt....
Alaricus:
*bevor er jedoch tatsächlich die Hand an eine der Rüstungen legt, ruft er sich
zu ein wenig mehr Sachlichkeit und prüft Rüstungen und Waffen kurz, versucht sie
einzuschätzen... bis er schließlich in Übereinstimmung mit seinem Gefühl
letztlich die gewählte Rüstung berührt... mit einer Vorsicht, als bestünde sie
aus papierdünnem Glas*
Schließlich,
als er sich eine Rüstung wählt und seine flache Hand an das kalte, von Scharten
durchzogene Eisen legt, ist ihm, als würde er einen enormen Schlag auf den Kopf
erleiden, allerdings mehr geistiger Natur. Ihm wird schwindlig, alles scheint
sich zu drehen, zu drehen, zu drehen... immer weiter und weiter; die Halle, die
Rüstungen, die Säulen, alles scheint in diesem Wirbel zu verschwinden,
undeutlich und nichtig zu werden. Etwas scheint mit klammen Fingern nach seiner
Seele zu greifen, sie eine Weile lang zu halten, zu wiegen wie eine Mutter ihr
Kind, sie zu streicheln... doch dann, völlig unerwartet, dieser unglaubliche
Schmerz in seinem Inneren, als würden diese klammen Finger mit aller nur
erdenklicher Macht zudrücken, um jene Seele für immer zu zermalmen.
Dann ist es dunkel.
Ihm ist, als würde er fallen und fallen, tiefer hinein in dieses endlose,
schwarze Loch, das kein Ende zu nehmen scheint. Nichts als Schwärze, nichts als
Dunkelheit und nichts als dieses Gefühl, zu fallen und zu fallen. Er weiß nicht,
wie lange dieser Zustand anhält, er weiß nicht, ob es Minuten, Stunden oder gar
Tage sind.
Doch dann wieder dieser Wirbel, dieses Gefühl, sich zu drehen und zu drehen,
stetig und unaufhörlich, und das Dunkel beginnt sich zu lichten. Der Wirbel wird
langsamer, die Drehungen verebben, endlich.... endlich Ruhe. So müde, so
erschöpft... und ihn dürstet es nach Schlaf, nichts als Schlaf.
Dieses
beständige, anhaltend platschende Geräusch eines Wassertropfens macht ihn
wahnsinnig. Wieso musste dieses Geräusch da sein, warum konnte er nicht einfach
schlafen. Und dann das Quieken... das Geräusch kennt er. In der Festung gibt es
mehr als genug davon. Diese kleinen, haarigen Biester, die überall zu sein
schienen und ständig als wuselnde Schatten durch die Burg huschen um sich von
dem zu ernähren, was die Menschen unachtsam liegen lassen.
Und dann meint dieses freche Ding auch noch, ihn seines letzten Schlafes zu
berauben, den er doch so dringend nötig hatte, in dem es einfach mal an seiner
Nase testet, ob er vielleicht essbar wäre. Der Schmerz holt ihn nun gänzlich aus
diesem dämmrigen Zustand, und als er die Augen aufschlägt steigt ihm
unwillkürlich der modrige Geruch von Fäkalien, verfaultem Wasser und anderen,
undefinierbaren Dingen entgegen.
Stroh. Er liegt tatsächlich auf altem, modrigem Stroh, so dreckig, dass es
bereits eine einzelne Masse bildet und zwischen seinen Fingern klebt. Nur wenig
Licht dringt von einer Fackel außerhalb seines Wirkungskreises zu ihm herüber...
außerhalb deshalb, weil er sich in einer Zelle befindet und nicht an sie
rankäme, selbst wenn er wollte.
Alaricus
bleibt keine Zeit mehr, auch nur den geringsten Laut von Überraschung oder
Schmerz auszustoßen, dafür geht wohl alles zu schnell... zu rasch scheint er in
diesem Wirbel zu ertrinken, zu rasch fällt er... zu rasch verliert er sich in
der Dunkelheit, die ihn nun umfängt und jeglichen Zeitgefühls beraubt. Umso
erleichterter ist er, als ihn dieser neuerliche Wirbel aufzufangen scheint, ihn
aus dem Dunkel holt... ihn schlafen lässt, damit er diese plötzliche Erschöpfung
überwinden kann. Doch war er nun zum Schlafen gekommen oder doch nicht...?
Dieses entnervende Geräusch... plink, plink, plink. Er zuckt mit einem Ohr und
knurrt dann kaum hörbar, aber deswegen nicht minder unwillig. Was hatte dieses
Wassergetropfe hier verloren? Er legt sich einen Arm so übers Gesicht, dass er
sein Ohr bedeckt und das Geräusch ein wenig abmildert. Quieken... ein Quieken?
Moment mal... was war hier eigentlich los? Im nächsten Moment fährt er mit einem
hellen, wölfischen Laut auf, als ihn dieses kleine Biest in die empfindliche
Nase beißt, und fegt wie mit einer Pranke in einer unwirschen Bewegung über den
Boden. Widerlich... was klebt ihm denn da zwischen den Fingern? Mit einem
Blinzeln fällt sein Blick auf das gammelige, verdreckte Stroh, auf dem er liegt,
und er hebt mit einem zusammengekniffenen Auge einen Arm, lässt dabei die Hand
hängen wie ein Stück widerwärtigen Unrats, als würde sie gar nicht zu ihm
gehören. Er schnaubt kurz etwas verächtlich, bevor er sich so setzt, dass er die
Hände nicht mehr auf dieses Stroh aufsetzen muss... und sieht sich dann um. Wo
war er hier eigentlich gelandet...? Eben war er doch noch in der Halle
gewesen... oder nicht? Er wirft einen kurzen Blick an sich hinunter, hebt ihn
dann jedoch wieder und lässt den Blick durch diese Zelle schweifen, in der er
mit einem Mal liegt
Erst jetzt bemerkt Alaricus
dieses furchtbare Gefühl in seinem Bauch. Hunger. Dieses Loch in seinem Magen
ist so groß, dass er sich überlegt, nicht diese verdammte, biestige Ratte dort,
die sich gerade am Unrat gütlich tut, zu vertilgen.
Aber da ist nicht nur dieser schreckliche Hunger und die trockene Kehle. Seine
Glieder schmerzen, allesamt, und ihm ist als hätte man jeden Knochen einzeln
gebrochen. Dennoch fühlt er sich von einer seltsamen Macht durchströmt; einer
Macht, die dem Geist des Welpen fast die Sinne raubt. Aber das Gefühl verfliegt
schnell, und er gewöhnt sich rasch daran, so dass es zu einem hintergründigem
Gefühl wird. Was sind das für Kleider... eine weiße Tunika, bestickt mit einer
edlen, silbernen Borte, eine ebenso weiße Leinenhose... nun ja, weiß ist nicht
ganz richtig. Grau, blutbefleckt und abgerissen würde es vermutlich eher
treffen. Nur noch Lumpen, einst edel und nun nicht mehr als ein spöttischer
Kontrast zu dem, was sie einmal waren.
Und diese Hände... was sind das für Hände. So groß und sehnig, vernarbt sind
sie. Die Hälfte des rechten, kleinen Fingers fehlt, doch er meint, dass ihn das
nicht stört. Dann diese langen, weißen Haare, die ihm auf die Brust hinabhängen,
durchsetzt von dünnen, geflochtenen Zöpfen. Doch sind sie strähnig, schmutzig,
von Blut verklebt.
Seine Brust, muskulös und ausgeprägt, so dass sie seine Tunika gut ausfüllt, die
Arme stämmig und ebenso von Muskeln geprägt, die Beine lang, sehnig und
kraftvoll.
Doch sein Bein... sein Bein schmerzt so unglaublich. Ein beständiges, brennendes
und pochendes Gefühl in seinem Oberschenkel, und als er einen Blick auf jenen
wirft, kann er den verklebten und gammeligen Verband sehen, der um die Hose
gewickelt worden ist.
Alaricus hat bei dem vorigen
Blick an sich hinunter wohl noch nicht so recht gesehen, denn erst einmal
schielt er aus verengten Augen eine verdächtig lange Weile in Richtung der Ratte,
beobachtet jede noch so kleine ihrer Bewegungen, das Zucken ihrer Nase, ihrer
Tasthaare, das flinke Nagen und Huschen. Er fährt sich kurz mit der vom Durst
schweren Zunge über die spröden Lippen und spannt sich etwas, schiebt sich
bereits ein wenig nach vorne, als würde er zum Sprung ansetzen... bemerkt dabei
gar nicht, wie ihm ein paar der für ihn eigentlich zu langen Haare über eine
Schulter nach vorne über die Brust fallen. Doch dann durchfährt ein ungeahnter
Schmerz sein Bein und bringt ihn rascher von diesen vom Hunger getriebenen
Gedanken ab, als er überhaupt darauf gekommen war. Seine Miene verzieht sich
etwas, als er die Luft scharf einzieht und automatisch mit einer Hand nach der
schmerzenden Stelle greift... diese Hand, die ihm plötzlich so fremd ist, dass
er beinahe wieder auf den Schmerz vergisst, der ihm gerade in den Schenkel
gefahren. Was war das...? All die Narben, der halbe fehlende Finger... als er
erneut an sich hinunter sieht, bemerkt er erst das wahre Ausmaß der Veränderung
und zieht langsam die Brauen in Richtung Haaransatz. Sein Atem, der bislang
ausgesetzt hatte, setzt nun wieder ein und beschleunigt sich etwas, als sich
seine Gedanken überschlagen, sodass alle Fragen und möglichen Antworten in einen
wilden Wirrwarr durch seinen Kopf purzeln und letztlich nicht mehr sind als ein
Rauschen ohne Sinn und Worte. Er fühlt sich so mitgenommen, wie er sich kaum
jemals gefühlt hat, und die Schmerzen in diesem Bein, das irgendwie seines ist
und doch nicht, beenden die Wirrungen in seinem Kopf rasch wieder. Mit etwas
zittrigen Fingern macht er sich daran, den verdreckten Verband zu lösen, um
einen Blick darunter zu werfen... Wie auch immer er hier herein gekommen sein
mochte, er musste wieder hinaus. Irgendwie...
Alaricus
hätte sich gewünscht, er hätte den Verband lieber nicht gelöst. Ein käsiger
Geruch steigt ihm in die Nase, und von seinem Vater hat er mal erklärt bekommen,
dass so Wundbrand riecht. Die Verletzung ist tief, muss von einem Schwert
stammen, das hindurch getrieben worden ist... die Wundränder sind ausgefranst,
demnach muss die Klinge wohl gezackt oder mit Widerhaken versehen gewesen sein.
Ziemlich üble Verletzung das, und wenn nicht bald etwas dagegen getan wurde,
würde er entweder an einer Blutvergiftung sterben oder das Bein verlieren.
Dennoch, auch wenn die Schmerzen schier unerträglich sein mögen, er akzeptiert
sie, und sie treten in den Hintergrund, als würde sie nur die zweite Geige
spielen. Viel nagender ist da dieses Hunger- und Durstgefühl und dieses Gefühl
einer tonnenschweren Last, die auf seinen Schultern zu liegen scheint. Für einen
Moment hat er das Gefühl, als würde es ihn erdrücken; als würden die klammen
Finger wieder zudrücken, doch es ist zu ertragen, es ist zu ertragen... Er muss
es ertragen, er weiß es, denn irgend etwas sagt ihm, dass es seine heilige
Pflicht ist, diese schwere Bürde zu tragen.
Momentan sitzt er mit dem Rücken an einer alten, steinernen Wand, von Moos
bewachsen, das leicht im Dunkel fluoresziert. Vor ihm sind Gitterstäbe, denn die
Zelle ist in zwei Teile unterteilt worden, so dass eine weitere Zelle direkt
neben seiner ist. War da nicht eben was, dort hinten, in der Finsternis... eine
Bewegung ? Zu weit oben für eine Ratte...
Alaricus
gibt ein dumpfes "Umpf" von sich, als ihm der Gestank in die Nase steigt... er
zieht den Nasenrücken etwas kraus und verengt die Augen abermals, während er
sich die Verletzung ansieht, allerdings darauf verzichtet, daran herum zu
drücken. Er atmet etwas flacher, um dem üblen Geruch einigermaßen zu entgehen
und wendet schließlich bei den nicht gerade rosigen Aussichten auf eine
Blutvergiftung oder ein einbeiniges Dasein den Blick mit leicht zusammen
gezogenen Brauen ab. Er weiß zwar noch nicht, wie er es bewerkstelligen sollte,
hier hinaus zu kommen, aber er wird sicher nicht untätig hier herumsitzen und
darauf warten, bis er in diesem Drecksloch verrottet. Er schließt für eine Weile
die Augen, während der Schmerz weiterhin in der zerfransten Wunde pocht, sein
Magen rebelliert und er mehr und mehr das Gefühl gewinnt, als würde er Sand
schlucken, wenn es sich nicht vermeiden lässt zu schlucken... Und dann auch noch
diese plötzliche Last, dieser Druck irgendeiner Bürde... dieser Druck von
Pflichten, die er nicht benennen kann... oder etwa doch? Er verharrt so eine
Weile reglos mit geschlossenen Augen und etliche Male tief ein und aus atmend,
bevor sich dieses Gefühl der Akzeptanz einstellt... ja, er kann es ertragen. Er
kann den Schmerz ertragen, den Hunger, den Durst... diese Last. Er kann das
alles ertragen und vermutlich noch mehr, denn er wird sich davon nicht in die
Knie zwingen lassen, nicht aufgeben und tun, was auch immer er tun muss. Er war
weder hier, um sich selbst beim Verrotten zuzusehen, noch um die Situation zu
bedauern oder seinen Zustand. Oh nein... niemals. Nichts liegt ihm ferner als
das. Er würde kämpfen, solange er zumindest den kleinen Finger krümmen konnte-
vielleicht nicht unbedingt den halbierten, da gabs nämlich nicht mehr allzu viel
zu krümmen. Aber es würde weitaus mehr brauchen, um ihn endgültig zu fällen, ihm
den Lebenswillen, seine Hartnäckigkeit zu nehmen oder gar seinen Willen zu
brechen. Er wird eines Tages einem Stamm angehören, der an der Spitze der Garou
steht, an der Spitze von Kriegern, die zornerfüllt in den zerrissenen Teilen
ihrer Feinde waten und besseres zu tun haben, als sich oder irgendetwas
aufzugeben. Er wird einem Stamm von Führern angehören, die zu Recht führen, weil
sie so sind, wie ein Garou sein sollte... weil sie die Vorbilder sind, die
erwählten Könige, die Herrscher. Und beim Falken, er würde sich von nichts und
niemandem davon abhalten zu lassen, dem gerecht zu werden, was er sein musste
und wollte... Erfüllt von einem Aufwallen beinahe ärgerlichen Willens, der
seinen miserablen Zustand in den Hintergrund rückt, schlägt er die Augen wieder
auf, und wie auch immer diese im Moment aussehen mögen, so zeichnet sich darin
nun wieder dieses energische Funkeln darin ab, das bislang auch immer in seinen
eigenen gelegen hat... dieser Ausdruck von ungebändigter Lebenskraft und dem
Willen, bis an die Grenzen zu gehen und wenn nötig darüber hinaus. So sehr er
auch angeschlagen sein mag, dieser Wille wird ihn vorantreiben und ihn immer
wieder aufrichten. Wegen des Drecks hier unten schließt er den Verband um die
Wunde an seinem Bein letztlich wieder, als er dieser Bewegung gewahr wird...
irgend etwas ist doch dort hinten. Er zieht leicht die Brauen zusammen und zieht
dann das heile Bein an, um sich an der Mauer langsam hoch zu ziehen... beißt
dabei etwas die Zähne aufeinander und kneift die Augen zusammen, Schmerz lass
nach... nachdem er erst einmal steht und nicht mehr mit dem vermutlich von
Hunger und Durst verursachten Schwindel zu kämpfen hat, bewegt er sich humpelnd
oder vielmehr etwas einbeinig hüpfend auf diese Gitterstäbe zu, um heraus zu
finden, was es mit dieser Bewegung auf sich hat
Als Alaricus
schließlich an den Gitterstäben angelangt ist- eine schiere Weltreise mit diesem
Bein- weicht er erschrocken zurück, da plötzlich etwas aus der Dunkelheit auf
ihn zu gesprungen kommt und mit einem lauten, metallenen Geräusch an den
Gitterstäben rüttelt. Er hört ein helles, irres Lachen, dann sieht er ein
widerwärtiges Gesicht, dass eine Reihe von gelben, verfaulenden Zähnen
preisgibt, ebenso wie zwei fahlgraue Augen und eine ziemlich auffällige, krumme
Knollnase. Die rötlichen Haare des Mannes stehen ihm in alle Richtungen zu
Berge, sein Kinn ist von schwarzen Stoppeln nur so übersät. Die Fetzen, die er
trägt, sind beinahe nicht mehr als Kleidung zu erkennen, und er verbreitet einen
atemberaubenden Gestank.
"Na, Silberschopf, endlich wach geworden, was??" ertönt die laute, kichernde und
krächzende Stimme.
"Verschläfst die letzte Zeit, die du noch hast, dabei solltest du sie genießen!
Viel hast du ja davon nicht mehr!" Ein lautes, völlig irres Lachen, als er ihm
breiter als breit ins Gesicht grinst und dann wie wahnsinnig durch seine Zelle
hüpft
Alaricus
unterdrückt einen zähneknirschenden Fluch, dieser dumme Oberschenkel... der hat
hier gar nicht aufzumucken. So langsam hat er sich sicher noch nie bewegt, aber
immerhin- er kann sich noch bewegen, und das ist auch etwas wert. Als er durch
die Gitterstäbe sieht und da plötzlich etwas auf ihn zuspringt, macht er einen
kleinen, halben Satz zurück, den ihn das Bein damit dankt, dass er durch die
Woge des Schmerzes bei dieser abrupten Bewegung beinah das Gleichgewicht
verliert und sich auf den Hosenboden setzt, aber das kann er glücklicherweise
gerade noch so verhindern. Er schnaubt kurz, aber erleichtert darüber, dass er
nicht gefallen ist und sich dann womöglich etwas am Boden gewunden hätte,
während er in diese Ruine von einem Gesicht blickt. Als sich der Mann nach
seiner Bemerkung wieder entfernt und völlig durchgeknallt durch seine Zelle
springt, folgt er ihm mit den Augen und betrachtet sich das, ehe er dann nach
einem Räuspern aufgrund der trockenen Kehle meint "He... was soll das heißen,
viel Zeit habe ich nicht mehr? Und wie komme ich eigentlich hierher? Und was
heißt hier Silberschopf, wenn du meinen Namen kennst, kannst du auch den
benutzen." Mittlerweile glaubt er ja, dass es ihn irgendwie an einen anderen Ort
oder so etwas verschlagen hat, wo er nun in irgend jemandes Haut gefahren ist
und sich so durchschlagen muss... um irgendwie eine Möglichkeit zu finden,
wieder zurück zu kehren, denn anders kann er sich das ganze nicht erklären. Sein
Nachbar hier scheint zwar schon zu viel Kerkerdunst und Rattendreck geschnuppert
zu haben, doch das muss nicht heißen, dass er ihm nicht ein paar Auskünfte geben
könnte...
Er kommt
wieder leicht geduckt an die Gitterstäbe und umfasst sie mit seinen dreckigen
Fingern, fährt an ihnen leicht auf und ab.
"Ich fass es nicht, ich fass es nicht! Fragt er doch tatsächlich, wie er
herkommt!" Wieder ein irres Lachen, Herumgehüpfe durch die Zelle, bevor er
wieder an die Gitterstäbe kommt und sein schmutziges Gesicht an die Stäbe
drückt, so dass seines recht nah an dem von Alaricus ist.
"Was das heißt, willst du wissen?? Dir ist wohl auf all deinen Reisen dein Hirn
verloren gegangen, was? Hihi... am Ende verpasst er noch seine eigene
Hinrichtung!" Lachend rüttelt er an den Gitterstäben, bevor er dann kichernd zu
den Wachen nach draußen kreischt:
"Hört, hört! Adalwulf von Lichtenstein kann sich nicht mehr an seinen Namen
erinnern!! Ist das nicht gar köstlich! Was habt ihr mit ihm getrieben?"
Kurz darauf hört man ein lautes Knurren.
"Halt's Maul, alter, stinkender Sack. Hoffentlich krepiert der bald... kann sein
Geschrei bald nicht mehr ertragen."
Ein Schlüsselklirren, dann eine zweite Stimme.
"Ach, der macht's bestimmt nicht mehr lang. Die Krätze hat ihn doch schon fast
aufgefressen." Ein gemeinsames, fast lautes Lachen.
Alaricus weiß gerade nicht so
recht, ob es nicht doch etwas unpassend ist, in Gelächter auszubrechen... die
Situation erscheint ihm für diese Momente einfach als zu grotesk, aber er kann
sich nicht helfen und muss dann kurz lachen... nein, das kann einfach alles
nicht wahr sein. Reisen? Adalwulf von Lichtenstein? Hinrichtung? Sein etwas
rauhes, leises Lachen verklingt schließlich unter einem Kopfschütteln zu einem
kurzen Glucksen, ehe es völlig verstummt und nur noch ein leichtes Lächeln um
seine Lippen herum zurückbleibt, das sich dort allerdings nicht allzu lange
hält. Der ernste Ausdruck in seinen Augen straft das beinah heitere Lachen
Lügen, denn eigentlich ist das ganze wahrlich in keinster Weise zum Lachen... er
konnte nur einfach nicht an sich halten. Insgeheim dankt er dem Zellennachbarn
für seine Auskunft, zumindest kennt er nun seinen momentanen Namen. Adalwulf von
Lichtenstein... er denkt nach, ob er von diesem Mann einmal etwas gehört hat,
vielleicht hat ihm ja der Fürst oder sein Vater etwas erzählt... vielleicht aber
auch nicht, denn irgendwie hat er noch so gut wie gar keinen Einblick in die
Geschichte, ob es nun die Garou im Allgemeinen, den Stamm oder besondere
Mitglieder darin betrifft. Er blickt nebenher durch die Gitterstäbe, vielleicht
kann man die Wachen irgendwo erkennen, die hier offenbar vor den Zellen
herumstehen
Ja, der Name
von Lichtenstein sagt ihm etwas... der Vorname allerdings nicht. Verdammt, er
hätte wirklich besser zuhören müssen, als sein Vater ihm da irgendwas über seine
Vorfahren erzählt hatte... was war das doch bloß? Im Moment kann er sich beim
besten Willen nicht daran erinnern, was das gewesen sein könnte. Die Wachen kann
er hier nicht sehen... sie stehen wohl etwas weiter hinten, nur die schweren
Schritte kann er hören, die beständig in den Gängen auf und ab patrouillieren
Alaricus
legt einen Daumen unter sein Kinn und kratzt dann mit den Fingern beinahe
kraulend vorne etwas darüber, während er mit leicht zusammen gezogenen Brauen
und etwas nach oben gerichtetem Blick über den Namen nachgrübelt... wirklich zu
dumm, dass ihm dazu gerade partout nichts einfallen will, normalerweise hört er
ja doch interessiert zu, wenn ihm etwas erzählt wird... Ausnahmen bestätigen die
Regel und machen sich gerade unangenehm bemerkbar. Aber sein Unwissen lässt sich
nun auch nicht mehr ändern, also muss auch so irgendwie gehen... er nimmt die
Gitterstäbe in Augenschein, die sich nur zur Nachbarszelle hin befinden, oder
ist seine Zelle auch nach vorne hin "offen"?
Auch nach vorne hin sind Gitterstäbe... keine
Holztür oder dergleichen...
Alaricus
fragt sich gerade, ob ihm eine Ratte munden würde... bei seinem momentanen
Hunger wohl mit Sicherheit. Allerdings... wird er kaum in seiner Zelle
herumhüpfen und auf Rattenjagd gehen, das würde vermutlich zu viel an Kraft
kosten. Aber zu den frontseitigen Gitterstäben hinkt er in dem durch das Bein
vorgegebene Schneckentempo, um dort die Hände an die Stäbe zu legen und hinaus
zu blicken, in den Gang, der da liegen muss. Und... irgendwo müssten diese
Gitter ja auch ein Schloss haben? Falls er noch über seine Verwandlungsfähigkeit
verfügt, würden die Gitter vielleicht trotz seines Zustandes ein nicht allzu
großes Problem darstellen, und vielleicht würde das auch der Wunde ihren Biss
nehmen... aber das Risiko ist zu hoch, denn auch wenn er vielleicht auf diese
Weise aus der Zelle käme, so würde er sich selbst in seiner Kriegsgestalt nicht
lange gegen mehrere Wachen halten können... zudem weiß er nicht, wo er sich
befindet und wie es hier sonst noch aussieht, welche Wege er nehmen könnte,
würde er erst einmal hinaus gelangen....
Alaricus:
*aber warten, bis man ihn zur angekündigten Hinrichtung abführt...? Dabei werden
sich wohl kaum bessere Möglichkeiten bieten...*
Alaricus:
*wenn er es mit Hinterlisten hätte, würde er nun vielleicht versuchen, auf
irgendeine zurück zu greifen, Radau zu schlagen, sich tot stellen, damit man
vielleicht die Zelle öffnet, um ihn rauszuschaffen oder so etwas... aber
irgendwie liegt so etwas weniger in seinem Naturell. Angesichts der gegebenen
Umstände... sollte er aber vielleicht damit anfangen, etwas Neues
auszuprobieren, denn wie viele Möglichkeiten hatte er schon?*
Leider ist
die Zellentür schon so gemacht, dass man von Innen nicht an das Schloß gelangt,
sonst könnte vermutlich jeder versuchen, an der Zellentür herumzudoktern. Und
kaum will er seine Gedanken weiter verfolgen, hört er, wie die Schritte wieder
näher kommen, dann sieht er eine Wache in einer matten Schuppenrüstung, die ihm
durch die Stäbe mit der Hellebarde einen Krug Wasser und eine Schale mit
undefinierbaren Inhalt hinein schiebt. "Hier, friss du Hundesohn eines
Verräters. Friss dein letztes Mahl, bevor du am Galgen baumeln wirst." *lachend
und verächtlich*
Alaricus
verkneift sich ein "Das werden wir ja noch sehen" und lässt erst einmal von
seinen bisherigen Gedanken ab.... Wasser. Ein ganzer Krug voll. Vermutlich ist
es brackig, abgestanden, alt... was auch immer, aber es ist immerhin Wasser, und
bevor die Wache aus einem kleinen sadistischen Anfall heraus die Gelegenheit
hat, den Krug vielleicht vor seinen Augen umzustoßen, stürzt er sich beinahe
darauf und schnappt ihn sich, als wäre es irgendein ganz besonderer Schatz. Er
atmet kurz unmerklich durch, bevor er den Krug ansetzt und dann langsam das
Wasser in seine Kehle laufen lässt, obwohl er es am liebsten in einem Zug in
sich hinein schütten würde
Nunja, wenn
es zumindest Wasser wäre.... aber es ist warm, schmeckt seltsam und riecht
eindeutig nach etwas, was Alaricus normalerweise ausscheidet. Die Wache verzieht
keine Miene, als er das so in sich hineinschüttet, doch dann lacht sie laut und
hämisch, verschwindet mit schweren Schritten um die nächste Ecke...
Alaricus hatte es wohlgemerkt langsam
begonnen zu trinken. Allerdings wird ihm seine Nase ziemlich rasch melden, was
es in Wahrheit ist, und als er bemerkt, was hier eigentlich gerade gespielt
wird, verzichtet er gerne darauf, und leert den Krug in einer schwungvollen
Bewegung in Richtung der Wache aus. Wenn er den Kerl nicht mehr erwischt hat,
dann muss man es wohl Pech nennen.... zu ändern ist es nun auch nicht mehr
Alaricus:
*spuckt kurz aus... widerlich, wirklich. Na gut, als Wolfsrüde schnuppert man
vielleicht an der ein oder anderen Hinterlassenschaft, vor allem wenn die von
Fähen sind, aber Menschenpisse? Widerliche, ekelerregende Menschenpisse??*
Er trifft ihn
nicht mehr... sondern lediglich die gegenüberliegende Wand des Ganges, die nun
gut duften dürfte...
Alaricus muss... gelinde
gesagt, ziemlich an sich halten, und zwar weniger wegen der Enttäuschung, dass
das vermeintliche Wasser sich als etwas anderes entpuppte, sondern vielmehr
deswegen, WAS man ihm da vorgesetzt hat.... erniedrigend, demütigend, ganz so,
wie es wohl sein sollte, und dieser Umstand bringt sein Blut in Wallung und
lässt seine Augen vor nur halb zurück gehaltenem Zorn aufglühen... dabei weiß er
ganz genau, dass ihn seine Wut kaum weiterbringen wird, sondern ihn vielmehr
blind machen würde, seine Aufnahmefähigkeit trüben würde. So steht er eine Weile
nur da und starrt die gegenüberliegende Wand an, bis er sich wieder besser im
Griff hat
Alaricus:
*der Schale würdigt er keinen Blick, die Ratten freuen sich sicher darüber*
Oh ja, die
freuen sich... denn kaum steht die Schale länger als ein paar Minuten dort,
tummelt sich auch schon eine ganze Traube der niedlichen, kleinen Tierchen dort.
Sein Zellennachbar kichert wieder leise aus seiner dunklen Ecke heraus, was in
ein röchelndes Gurgeln untergeht, als er schließlich Husten muss. "Gefällt dir
nicht, was ? Hehe... ja, schon dumm, von seinem hohen, güldenen Ross gestoßen zu
werden und im Dreck zu landen.... aber das hättest du vorher wissen sollen, mein
Lieber...."
Wieder ein Lachen, dann springt er wieder wie ein verrückt gewordener Hofnarr
durch seine Zelle.
"Seht ihn an, seht ihn an! Verehrt und angespieen, bekannt im ganzen Land! Von
allen... VERRÄTER genannt!!" Lacht er laut, ehe er mit einem irren Kichern in
der Dunkelheit seiner Ecke verschwindet, um unverständliches, wirres Zeug vor
sich hin zu murmeln.
Alaricus
behält seinen geknirschten Fluch bei sich und hinkt dann wieder zu der
steinernen Mauer zurück, die der Zellenfront gegenüber liegt, gegen die er sich
erst einmal lehnt und die Arme verschränkt, während er mit zusammen gezogenen
Brauen vor sich auf das dreckige Stroh starrt. Er schenkt den ganzen Schmerzen
in seinem Leib so wenig Beachtung wie möglich- was man ignoriert, verliert oft
seine Schwere- und nimmt die Gedanken von zuvor wieder auf, wälzt sie herum,
ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Vermutlich würde ihm letztlich nichts
anderes übrig bleiben, als bis zu dem Zeitpunkt zu warten, an dem man ihn
abführen wollte... und dann einen Ausfall zu versuchen. Denn alles andere... war
genauso gewagt, genauso risikobehaftet, und sein Leben hängt ganz offensichtlich
nur noch an einem seidenen Faden. Verräter... hatte die Wache zuvor Verräter
gesagt? In diesem Moment legt sein Zellennachbar wieder los, und er beachtet ihn
erst einmal nicht weiter- bis auch er ihm ein "Verräter" an den Kopf wirft.
Langsam hebt sich sein Blick und richtet sich wieder zur Nachbarszelle hin, auf
den verwirrten, herumtanzenden Schatten, bis sich dieser wieder in seine Ecke
zurückzieht. Verrat... wenn es nur eine Möglichkeit dazu gäbe, die Hintergründe
zu erfahren. Er konnte sich kaum vorstellen, dass er oder vielmehr Adalwulf zu
Recht hier in dieser Zelle hockte, also galt es, diese Sache aufzuklären. Sicher
kein übler Gedanke... sah man von dem klitzekleinen Umstand ab, dass er hier
eingekerkert war und scheinbar die ganze Stadt oder wo auch immer er sein mochte
viel zu gut um diesen... Verrat bescheid wusste und dementsprechend reagieren
würde. Da sein einziger Ansprechpartner der irre Mann aus der Nachbarszelle war,
bewegte er sich an die Gitterstäbe zu dessen Zelle hin, noch immer
hineinblickend. "Was meinst du schon von Verrat zu wissen... was weißt du schon
über die wahren Hintergründe?"
Alaricus .oO("Gefällt
dir nicht".... welch Untertreibung. Auch wenn ich eigentlich nicht ich bin...)
Man sieht
seine fahlen Augen in der dunklen Ecke auffunkeln, ehe er wieder seine gelben
Zähne entblößt und ein erheitertes Grunzen von sich gibt. "Oh, ich weiß sehr
viel über Verrat, Silberschopf... ich sitze schließlich nicht umsonst seit
Jahren hier, verstehst du ?" Ein leises Kichern. "Aber du.... dein Verrat war
exzellent, an Genialität schon gar nicht mehr zu übertreffen!" Er steht auf und
verneigt sich tief. "Meine Hochachtung, ehemaliger Kronprinz von Lichtenstein...
Ihr habt meine Bewunderung, auch wenn Ihr diese nicht mehr allzu lange genießen
dürft." Ein geröcheltes, leises Lachen. "Hörst du sie? Wie sie deinen Namen
rufen, draußen? Ja, ich kann sie schon hören.... ich höre sie jedes mal, jedes
mal! Die Menge, wie sie danach giert, einen zuckenden Leib an einem Seil hängend
zu sehen... nach Blut giert, dem Kopf, der in den Korb fällt..." Die gelben
Zähne grinsen ihm weiterhin entgegen.
Alaricus
würde sich vielleicht in seinem persönlichen Stolz zutiefst gekränkt fühlen, bei
all den Possen, die der andere über seine Wenigkeit reißt und sich
dementsprechend früher oder später nicht mehr beherrschen können... so jedoch
gilt das ganze eigentlich Adalwulf, in dessen Haut er irgendwie geraten ist. Da
er sich selbst bis zu einem gewissen Grad noch von diesem unbekannten Vorfahren
zu trennen weiß, bleibt er auch weiterhin ruhig, obwohl ihn das ganze gewiss
nicht kalt lässt und ohne Nachhall von ihm abprallt- wie könnte es auch,
angesichts der anstehenden Hinrichtung und all den Vorwürfen, die auf ihn
einstürmen. Er weiß nicht, wie Adalwulf reagiert hätte, wie er gehandelt
hätte... er kann nicht auf irgendein Wissen in dieser Hinsicht zurückgreifen,
das ihn leiten würde, ihm vielleicht ein wenig Halt und Anlehnung bieten würde.
So bleibt ihm letztlich nur er selbst, auch wenn so manches von Adalwulf sein
eigenes Wesen zu durchdringen scheint, als würden sich zwei Seelen einander
annähern oder gar berühren... denn sonst hätte er nach seinem Aufwachen kaum
diese Last verspürt, die ihn schier niederzwängen wollte. Kronprinz...?
Vielleicht irgendeine himmelschreiende Intrige... Eine leichte innere,
aufgeregte Unruhe erfasst ihn, wie meist, wenn er sich in den Kopf gesetzt hat,
dieses oder jenes herauszufinden, den Oberflächlichkeiten auf den Grund zu gehen
und wenn sich die Fährten entziehen wollten, schwer oder so gut wie gar nicht
fassbar waren. Für einen Moment hält er tatsächlich lauschend inne, als wollte
er sich Gewissheit darüber verschaffen, ob man tatsächlich irgend jemandes Rufe
hören konnte, die Menge sich bereits in Stimmung brachte. Dann jedoch schüttelt
er kurz den Kopf und sieht sein Gegenüber an. "Mein Ruf hat es doch tatsächlich
geschafft, bis hier hinunter in deine jahrelang eingesessene Zelle zu dringen...
dabei wüsste ich nicht, was an diesem Verrat so 'genial' gewesen sein soll.
Genauer gesagt... weiß ich nicht im geringsten, wie es dazu kam, dass man mir
'Verrat' vorwarf..."
Er lacht
laut, seiner Meinung nach ist dieses Verhalten an Dreistigkeit gar nicht mehr zu
überbieten. "Du weißt es nicht...? Du WEISST ES NICHT ??" kreischt er laut, was
erneut in einem röchelnden Lachen untergeht. "Er wollte den König ermorden,
seinen Vater, und er weiß nicht, was man ihm vorwirft!" Bei seinem Gezappel
könnte man meinen, er schlägt gleich ein paar Saltos. Ja, Alaricus kann sie nun
hören....die Stimmen, die Menschenmassen, die laut und verächtlich seinen Namen
rufen....
Alaricus .oO(Vatermord...?
Beim Falken... was ein Vorwurf.)
Alaricus beachtet die neuerlichen Possen, die
Erheiterung des anderen kaum... das war wirklich ein Vorwurf, der einen mit
einem Schlag niederstrecken konnte. Übel... war noch gar kein Ausdruck dafür.
Für ein paar Momente wollte sich die Hoffnung, dass er hier herauskommen würde,
dass er einen Weg finden würde klammheimlich davonstehlen, wollte ihm den Mut
nehmen und ihn sich in das scheinbar Unvermeidliche fügen lassen... doch rasch
hielt er sie zurück, diese Hoffnung. Er war nicht hier, um zu straucheln oder
gar zu fallen, nein... er würde das nicht zulassen, und so berief er sich wieder
auf diesen hartnäckige Überlebenswillen, den er zuvor bereits in sich erweckt
hatte. Denn was er brauchte, war weniger Hoffnung denn einen starken Willen, und
diesen würde er beweisen müssen, unter diesen widrigen Umständen, die sich vor
ihm auftürmten wie ein Gebirgsmassiv vor einem Kiesel. Klein und nichtig kam er
sich vor, doch er war in keinster Weise bereit dazu, sich aufknüpfen zu
lassen, oh nein. Sie wollten einen Verräter am Galgen baumeln sehen, und er
würde ihnen einen Adalwulf geben. Doch sicher nicht so, wie sie es erwartet
hatten... er schwieg nun erst einmal, das Gewicht gänzlich auf das heile Bein
verlagernd und Hunger sowie Durst zurückhaltend, während er im Hintergrund die
Menge rufen hört. Beschimpfte sie ihn vielleicht zurecht? Nein... nein, das
konnte nicht sein. Denn wenn er verdient hätte, was bevor zu stehen schien, dann
wäre er doch sicher nicht hier... irgendwo, irgendwo musste es ein Unrecht, eine
gewaltige Lüge geben, in die er- Adalwulf- verstrickt worden war. Er atmet tief
durch, drängt das Geschrei, die Rufe zurück, die ihn kurz schaudern lassen, und
hört dann in sich hinein... versucht gewissermaßen, vielleicht irgendeine
Verbindung zu finden. Gibt es irgendwelche Schuldgefühle...? Vielleicht Zorn auf
jemanden... irgendwelche Gefühle zu dem, den er angeblich ermorden wollte...? Er
glaubt nicht wirklich, dass er der Sache so auf den Grund gehen kann, aber er
weiß nicht, durch welches Geschick er hierher gekommen ist, und vielleicht
spielt ihm irgend etwas einen Streich, will, dass er einen Fehler macht, das
Unrecht hier noch verstärkt. Er sucht nach Gewissheit... nach der Gewissheit
darüber, dass die Anklage falsch ist, und so sucht er fieberhaft nach
Empfindungen, die nicht die seinen sind und ihm vielleicht darüber Aufschluss
geben können...
So sehr er
auch in sich hineinhören mochte.... da ist nichts. Er kann beim besten Willen
nicht sagen, ob er hier zu Unrecht drin sitzt. Aber sind seine Gedanken nicht
richtig...? Würde er hier drin sitzen, wenn er wirklich schuldig ist? Und da ist
noch etwas anderes... ein dringendes Bedürfnis, etwas erledigen zu wollen. Etwas
ist da... etwas muss er unbedingt tun. Er muss hier raus... er darf nicht
sterben, ehe er seine Aufgabe vollbracht hat. Aber was ist das nur... was ist
das nur in ihm, was ihn ständig versucht, an etwas zu erinnern ? Er weiß es
nicht.... vielleicht noch nicht.
Schritte.
Sie kommen näher. Schwere, schlurfende Schritte, von vielen Füßen und schweren
Rüstungen. Es ist Zeit. Er spürt, dass nun der Augenblick gekommen ist, in dem
sie in holen werden.
Alaricus schnaubt kurz, als ihn
sein Empfindungsvermögen im Stich lässt... aber dann, dieser Drang... es gibt
noch etwas zu erledigen. Etwas, von dem er noch nicht weiß, was es ist... aber
es reicht. Es reicht, um seine Bedenken in den Hintergrund zu drängen, ihnen
keinen Raum mehr zu lassen und so zu verhindern, dass sie ihm im Weg stehen. Er
nimmt diesen Drang, diese innere Unruhe... diese Aufgabe zum Halt. Sie wird ihn
führen bzw. ihn weiter treiben, nicht zulassen, dass er nachlässt, wenn es doch
zuviel zu werden scheint und vielleicht sein Wille doch etwas erschüttert wird.
Er hat eine Aufgabe zu erledigen, irgendwo muss etwas dafür getan werden. Und
dafür wird er kämpfen- und leben. Auch wenn das gewiss nicht der einzige Grund
ist, aber im Moment erscheint ihm dieser hier am wichtigsten. Er lauscht den
Schritten, die näher kommen, dem Stampfen der Rüstungen. Wie viele es wohl sind?
Es lässt sich wohl nur schwer einschätzen. Es gibt keine Trümpfe, die er
ausspielen könnte, außer vielleicht einen. Und selbst dieser hilft ihm
vielleicht nicht im geringsten. Aber er wird es versuchen, er muss... und er
will. Er verharrt weiterhin an der Wand, die Augen halb geschlossen und den Kopf
etwas gesenkt, scheinbar selbstversunken und auf nichts achtend. Doch in
Wahrheit versucht er sich zu sammeln, jede Faser dieses geschundenen Körpers ist
bis zum Zerreißen gespannt, während die Aufregung ihm das Blut durch die Adern
hetzt, er einige Momente lang glaubt, seinen eigenen Herzschlag hören zu
können... doch dann wird es wieder still in ihm. Ruhe... trügerische Ruhe, die
ihn erfasst, seine Anspannung tarnt. Ein grimmiges Leuchten hinter den halb
gesenkten Augenlidern, ein unmissverständliches Anzeichen für das, was in ihm
vorgeht, was er zu tun bereit ist. Doch im Moment der sich nähernden Schritte
ist er nicht mehr als der Schatten eines heruntergekommenen Kronprinzen, der
seinen letzten Gang antreten soll
Ein
Schlüsselrasseln, dann sieht er sie. Mindestens Sieben Männer in schweren
Platten- und Schuppenrüstungen, mit Helmen, Hellebarden und Bardiken. Laut
quietschend und mit einem protestierendem Laut, als wolle sie Alaricus vor dem
Unrecht bewahren, wird die eiserne Tür geöffnet. Die schwer gepanzerten und
bewaffneten Männer sehen ihm grimmig entgegen, bis einer von ihnen mit seiner
Bardike erst auf ihn, dann auf den Gang deutet.
"Hinaus mit dir, Hundesohn. Damit du deine gerechte Strafe empfangen kannst."
spricht er mit kratziger Stimme. Alles wirkt aussichtslos. Die Männer, so viele,
deren Rüstungen er selbst mit seinen Klauen nicht durchschlagen könnte, und
deren blitzende, tödliche Waffen, die sofort zustoßen, sollte er auch nur eine
falsche Bewegung wagen.
Aber etwas sagt ihm, er wird heute nicht sterben. Nein. Er weiß es. Er wird dort
nun hinausgehen, aber er wird nicht sterben
Alaricus
verharrt noch eine Weile an der Wand, so wie er bislang an ihr verweilt hat, mit
halb geschlossenen Augen und leicht gesenktem Kopf. Eine Weile lang scheint es,
als hätte er überhaupt nicht mehr vor, sich zu regen, doch dann hebt er langsam
das Haupt und sieht die Gruppe von Wachen, sieht, wie viele es sind. So wenig
Aussicht auf ein Gelingen des ganzen... und doch ist er bereit dazu, es zu
versuchen, und schon spannt er sich, scheint sich ein wenig zusammen zu ziehen-
bis ihn plötzlich etwas zurückhält, ihm Einhalt gebietet. Diese Gewissheit, die
sich plötzlich in ihm festsetzt, dass dies nicht der letzte Gang sein wird,
selbst wenn er jetzt nicht versucht, sich durch zu schlagen. Es verwundert ihn,
und für wenige Momente zögert er... doch dann beschließt er, diesem Wissen zu
vertrauen, und er löst sich von der Wand, um auf die Gitter zuzuhumpeln, auf die
Wachen... hinaus in den Gang, wie sie es befohlen haben
Alaricus:
*es gibt wohl Dinge, die sich nicht hinterfragen lassen, und er muss sie
akzeptieren... ihnen ein gewisses Maß an Vertrauen entgegen bringen, denn es
scheint, als würde er schneller verloren sein, als ihm lieb ist, wenn er es
nicht tut*
Alaricus .oO(aber
worauf sich diese "Gewissheit" begründet...? Vielleicht ein kleiner Überfall auf
die Wachleute von irgendwelchen "Verbündeten".... es lebe die Phantasterei.)
Alaricus:
*wappnet sich zumindest innerlich gegen die Stiche und Rempler, die man ihm
vermutlich zuteil werden lässt*
Unsanft
werden seine Hände auf seinem Rücken mit einem Seil verschnürt, und kurz darauf
sticht ihm einer der Männer in den Rücken, um ihn voran zu treiben, durch den
Gang, die Verließe und schließlich die Treppe nach oben, ins Licht.
Dieses Licht, so grell... es schmerzt in seinen Augen, denn so lange hatte er
kein Tageslicht mehr gesehen, und doch sehnt er sich danach so sehr wie ein
Verdurstender nach Wasser. Es ist ihm, als würde es ihn gänzlich durchströmen,
mit neuer Kraft erfüllen, in jede Pore seines Körpers dringen.
Doch er hat nicht viel Zeit, um sich an diesem Gefühl zu erfreuen, denn die
johlenden Schrei der Menschenmassen, die sich draußen im Burghof zusammen
gefunden zu haben um der Hinrichtung des Kronprinzen beizuwohnen, reißen in
wieder in die Realität. Er wird vorbeigeführt an einem Wagen, dann direkt durch
die Menschen hindurch, die ihn bespucken, bewerfen, mit Steinen, Unrat und
faulem Essen. Sie beschimpfen ihn, spotten und lachen ihm ins Gesicht. Speichel
trifft seine Augen, so dass er für einige Momente sich von den Wachen blind
führen lassen muss, und als er wieder sehen kann, steht er vor den hölzernen
Treppen, die zu dem breiten Podest hinaufführen, an dem der Galgen befestigt
ist. Langsam bewegt sich die Schlinge im Wind, hin und her, hin und her...
Dann ein Stich in den Rücken, er geht die Treppen hinauf, wird direkt vor die
Schlinge gestellt, an dem ein schwarz gekleideter Mann mit einer ebenso
schwarzen, ledernen Kapuze steht, so dass er dessen Gesicht nicht sehen kann.
Einer der Wachen, wohl der Hauptmann, tritt schließlich vor und sorgt mit lauter
Stimme für Ruhe.
"Kronprinz Adalwulf von Lichtenstein ist des versuchten Mordes und des
Hochverrates am König zum Tode verurteilt. Ihm wurde ein gerechter Prozess
zuteil, und das Volk entschied sich für den Tod durch die Schlinge." Einen
Moment schweigen, während alle Augen auf ihn gerichtet sind.
"Adalwulf von Lichtenstein, habt Ihr noch etwas zu sagen, bevor ihr Eure
gerechte Strafe empfangen werdet ?"
Alaricus
spannt die Hände etwas an, als sie ihm verschnürt werden, versucht wohl beinahe
instinktiv ein wenig Raum zu schaffen, damit das Seil nicht ganz so straff
sitzt, wie es sitzen sollte. Er kneift die Augen zusammen, während er die Treppe
hinaufgeht und das Licht ihn zu blenden beginnt, und doch... nach der scheinbar
so langen Zeit der Dunkelheit kommt es einer Linderung gleich, und er begrüßt
dieses Licht, nimmt es auf, saugt es beinahe auf wie ein trockener Schwamm das
Wasser. Alles scheint ihm so seltsam... unwirklich, als würde er auf einem
Balkon stehen und das ganze von dort oben aus beobachten, als würde die
Wirklichkeit an ihm vorüber ziehen, ohne dass sie ihn zu kümmern hätte. Er
humpelt voran, hin und wieder etwas stolpernd, doch so aufrecht wie es ihm
möglich ist, als gälte es, sich selbst angesichts der Anfeindungen und den ihn
treffenden Unrat seine letzte Würde zu bewahren... Als gäbe es keine andere
Möglichkeit des Auftretens für ihn als diese eine, ungebrochene, ganz egal, was
geschieht. Er erduldet diesen Gang durch die Menge, erträgt diese Erniedrigung
mit regloser Miene, diese anhaltenden Demütigungen die seinen Stolz benagen und
reizen, einen hintergründigen Zorn entfachen. Er erduldet dieses Gefühl, das ihm
vorkommt, als würde beständig ein Tropfen Wasser in eine offene schwärende Wunde
tröpfeln und sie vergrößern. Er erträgt es... und muss sich doch zurückhalten,
um sich nicht zu irgend etwas hinreißen zu lassen, denn ein Teil von ihm schreit
geradezu danach, dem Druck nachzugeben, sich auf seinen Zorn zu besinnen und ihn
nach vorne springen zu lassen, reißend, todbringend, vernichtend. Vermutlich
nur, um dann von Pfeilen oder Schwertern oder anderen Dingen gespickt zu werden.
Schließlich steht er da, über allen, am Galgen, vor der Schlinge, unter ihm die
Menschenmenge, die es schon gar nicht mehr erwarten kann, ihre tägliche Portion
an sadistischer Belustigung zu erhalten. Letztlich bleibt sein Blick an der
Wache hängen, die zu ihm spricht. Gerechter Prozess? Was sollte er dazu sagen,
wo er absolut nichts dazu zu sagen wusste? Was würde ihm eine provozierende,
dreiste oder sonstige Äußerung bringen? Nichts... gar nichts. Vielleicht wäre da
noch die Möglichkeit um irgend eine letzte Sache zu bitten, doch auch dabei
wüsste er nicht, worum er bitten sollte. Was im Bereich des Möglichen war.
Zuvor... da hatte er gewusst, er würde nicht sterben. Doch nun schien sie wieder
fort zu sein, diese Gewissheit, vielleicht hatte sie ihn auch getäuscht,
vielleicht war er einer Art Versuchung erlegen, einer blauäugigen Naivität. Er
schwieg, bei diesen Gedanken beinahe schon wieder die Worte des Hauptmannes
vergessend. Nur noch wenige Sekunden. Zu wenig für lange Überlegungen, die noch
zurückhielten, was sich längst in ihm losreißen wollte. Der Wolf wollte nicht
länger warten, ob nicht im letzten Moment noch irgendein Wunder geschah und ihm
die Haut rettete. Er wollte sein Schicksal selbst in die Pfoten nehmen, er
wollte leben, es zumindest versuchen. Er wollte endlich kämpfen, auch wenn es
das letzte war, was er tun würde. Doch die Aufgabe... diese Aufgabe. Der
innerliche Kampf hielt an- und den Wolf, den Zorn noch zurück. Sekunden... es
waren wohl nur noch Sekunden
Als Alaricus
schweigt, sieht ihn der Hauptmann nur noch kurz an, dann tritt er zurück. Der
Kerl mit der schwarzen Haube tritt nun hinzu, legt ihm fast zärtlich die
Schlinge um den Hals und zieht sie zu. Ein unangenehmer Druck breitet sich nun
auf seinem Hals aus, der ihm erbarmungslos die Kehle zuschnürt, obwohl er noch
mit beiden Beinen auf dem hölzernen Boden steht. Irgend etwas tut der Henker
dort kaum spürbar an seinen Fesseln... sie lockern sich, so dass es nur eines
kräftigen Ruckes bedarf, um sie zu sprengen.
Aber da ist wieder diese innere Stimme. Noch nicht....
Alaricus Blick gleitet über die Menge, die nun wieder lauter wird, hier und dort
hört man ein Johlen. Dort hinten... etwas abseits, zu seiner rechten Seite,
dieser Mann... diese Erscheinung. Dieses schwarze Pferd, auf dem er sitzt,
dessen Zaumzeug... es kommt ihm so bekannt und vertraut vor. Sein schwarzer
Überwurf weht leicht im Wind, während das Gesicht des Mannes von einer tief in
die Stirn gezogene Kapuze bis zum Kinn verhüllt wird. Leicht hebt sich die
Kapuze, und zwei stechende, dunkle Augen sehen ihn unter den Brauen hervor an,
vermitteln ihm Zuversicht.
Zu seiner linken, dort hinten, an diesem
Wagen... ebenfalls eine Gestalt, jedoch auf einem Schimmel und einem hellen
Überwurf und heller, tief hängender Kapuze. Er kennt sie... ja, er kennt sie. Wie
oft hatte er sie nun schon gesehen, und wie sehr vertraute er ihr. Da war-
Dann das hölzerne Geräusch, als ihm der Boden unter den Füßen weggezogen und die
Klappe geöffnet wurde. Ein lautes Johlen geht durch die Menge, als er den Ruck
spürt, der durch seinen Hals und seinen Nacken schießt. Aber er hält nicht lange
an, denn in diesem Augenblick hört er das laute Flirren, als das Seil von irgend
etwas durchtrennt wird. Er kann noch sehen, wie die dunkle Gestalt dort hinten
mit glühenden Augen einen mächtigen, schwarzen Bogen senkt, dann geht plötzlich
alles ganz schnell.
Die Menge vor ihm teilt sich plötzlich, als der Mann auf dem Schimmel
herangeprescht kommt, durch die Menge stobt und es scheint, als wären sie nichts
weiter als kleine Holzpuppen. Die Menschen scheinen ihn und das Pferd nicht zu
berühren, als wäre eine unsichtbare Wand um sie herum. Pfeile beginnen auf den
Reiter hinabzuhageln, doch kurz vor ihrem Ziel prallen sie ab und fallen zu
Boden.
"Adalwulf!!!" schreit die helle Gestalt seinen Namen, die nun an dem Podest
vorbeiprescht und ihm eine weiß behandschuhte Hand entgegen hält, mit weit
geöffneten Augen, die verraten, wie sehr er hofft, dass er sie ergreifen wird.
Alaricus
hält kurz den Atem an, als man ihm die Schlinge um den Hals legt und sie
zuzieht, das Seil an seinem Hals kratzt und er nur noch ein winziges Stück davon
entfernt ist, sich- die Fesseln. Mit einem Ruck wird der Wolf innerlich zurück
gerissen, als er spürt, wie der vermeintliche Henker die Fesseln lockert, wie
sich eine Ahnung in ihm breit macht, vor der weder seine Wut noch sein innerer
Kampf, seine Zweifel bestand haben. Noch nicht... noch nicht. Die Zeit zählt
nicht mehr, die Sekunden. Plötzlich ist sie unwichtig, und sein Blick geht
abermals über die Menge. Und dort... da hinten. Die Gründe seiner Gewissheit,
eines Wissens, das nicht ihm selbst entstammt, denn er kennt diese Leute
nicht... er nicht, aber Adalwulf. Und er, der er halb er selbst, halb Adalwulf
ist, vertraut abermals, wartet... wartet, nun wieder in die Gewissheit gebettet,
dass er nicht sterben wird. Nicht hier, nicht heute, nicht jetzt an diesem
Galgen. Der Ruck, das Johlen der Menge- es währt zu kurz, als dass sich sein
Instinkt noch einmal aufbäumen könnte, und kurz darauf, nach diesem Flirren,
fällt er mit einem Aufkeuchen auf das Podest. Für wenige Momente verharrt er so,
halb auf den Knien, die Handflächen auf den Planken... den Strick um den Hals
hängend und den Kopf etwas gesenkt, sodass das lange, mit geflochtenen Zöpfen
versehene Haar über die breiten Schultern nach vorne fällt und das Gesicht mit
den etwas geweiteten Augen verbirgt, während er sich des Schmerzes erwehrt, der
bei dem Aufkommen durch seinen Schenkel zuckt. Schnell... schnell nun. Mit
zusammen gebissenen Zähnen richtet er sich wieder auf, jetzt ist die Zeit
gekommen, in der jeder Lidschlag wirklich zählt, und nun sieht er, wie der
Schimmel auf ihn zuprescht, an das Podest heran. Es braucht keinen hoffenden
Blick, um ihn dazu zu bewegen, nach dieser Hand zu greifen... er fixiert sie,
konzentriert sich auf sie, um den rechten Moment abzuwarten, vor zu schnellen
und sie fest zu packen. Wenn nicht jetzt, dann nie
Die Hand samt
Reiter und Pferd kommen immer näher.. noch ein Stück, noch ein kleines Stück...
dann spürt er, wie seine eigene vorschnellt, die des Reiters packt und wie sie
ihn mit einem heftigen Ruck hinter sich aufs Pferd befördert. Ein heißer Schmerz
zuckt durch sein Bein, als es sich um den runden Pferdebauch legt. Die Menge
tobt, kann es nicht glauben, dass sie ihrer Belustigung beraubt wird, doch sie
muss mit ansehen, wie der weiße Reiter den verurteilten Prinzen fortbringt.
Schließlich prescht ihr auf das sich schließende Burgtor zu, gefolgt von einem
schwarzen Schatten mit wehendem, nachtfarbenem Umhang, der hier und dort
herannahende Pfeile mit einer Klinge abwehrt, so gut es geht. Das Glück ist auf
eurer Seite, denn ihr schafft es gerade noch, hinauszustürmen, als das
Fallgitter hinter euch rasselnd zu Boden gelassen wird und sich mit einem lauten
Krachen schließt. Weiter geht es, immer weiter... die Beine des Schimmels
greifen weit aus, die Nüstern sind gebläht, während ihn sein Reiter
erbarmungslos vorantreibt, mit lauten Rufen. Das weiße Haar seines Vordermannes
schlägt Alaricus dabei ins Gesicht, und er kann hinter sich ein Surren hören,
dann ein Aufstöhnen... schließlich schließt der schwarze Reiter zu euch auf, so
dass er sehen kann, dass ein Pfeil aus seiner Hüfte ragt, doch der grimmige,
düstere Blick lässt keinen Schmerz erkennen.
Immer weiter geht es, weiter... Landstriche rasen an euch vorbei, Häuser, Bäume,
Menschen. Dort hinten, am Horizont, zeichnet sich eine dunkle Linie ab. Ihr
haltet darauf zu, als gäbe es nichts anderes auf der Welt, nichts von Bedeutung,
nur diesen Wald, den er zu erreichen gilt.
Alaricus überkommt ein Gefühl der Geborgenheit, des Aufatmens. Die Aura seines
Vordermanns erfüllt ihn mit Frieden, Vertrauen. Endlich, endlich war er bei
seinem Rudel... |